Leadership und Management in China

Führung – Kommunikation – Kultur

Seit 30 Jahren überrascht das Land der Superlative die Welt mit einem atemberaubenden Wachstum. Dennoch schöpft das chinesische System seine Kraft aus einer jahrtausende alten Kultur und definiert u.a. das Leadership und Management in China.

Interkulturelle Kompetenz In Shanghai

1. Traditionelle Werte und Auffassung von Leadership

Die chinesische Leadership-Kultur wird von den traditionellen Philosophien Daoismus, Konfuzianismus und Legalismus beeinflusst. Seit Ende der Kultur-Revolution spielen auch die aus Japan und den abendländischen Ländern stammenden Management- und Führungsmodelle eine Rolle. Obwohl die obengenannten Philosophien in der Zeit vor Christus eingeführt wurden, sind sie auch heute noch von Bedeutung, da sie weiterhin zentrale Komponenten nicht nur des chinesischen Wertesystems, sondern auch der Kulturen ostasiatischer Länder, inklusive Japan, sind. Um die heutige Kultur Chinas zu erfassen ist eine Auseinandersetzung mit diesen Philosophien unabdingbar, deshalb werden sie im Folgenden vorgestellt:

1.2 Daoismus

Der Daoismus empfiehlt einen Leadership-Stil, bei dem der Vorgesetzte so wenig wie möglich in die Arbeit seiner Mitarbeiter eingreift. Laozi, der Vater des Daoismus aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, sagte: 'Wenn der Meister regiert, merken die Menschen kaum, dass er existiert. Der nächstbeste Leader ist ein geliebter Führer. Der nächste, ist einer der gefürchtet wird. Der übelste ist derjenige, der verachtet wird. Wenn du Menschen nicht vertraust, machst du sie selbst vertrauensunwürdig. Der Meister spricht nicht, er/sie handelt. Wenn seine/ihre Arbeit getan ist, sagen die Menschen, - Es ist erstaunlich, wir haben es getan, ganz alleine! (Chao-Chuan & Yeh-Ting, 2008). Diese Art der Mitarbeiter-Vorsitzenden-Beziehung erinnert an dem heutigen Servant-Leadership-Modell. Auch hier bedient sich Leadership und Management in China aus einer breiten Palette von alten Prinzipien, die teilweise bis heute Anwendung finden.

Anders als im westlichen Denken, das hauptsächlich ein ‚Entweder-oder‘-Muster verfolgt, basiert der Daoismus als ganzheitliches Denken auf einem ‚Sowohl-als-auch‘-Prinzip. Die zwei Denkmodelle bieten unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze in Bezug auf Konfliktmanagement, Entscheidungsfindung und Leadership an. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass der Daoismus nicht nur die fernöstlichen Kulturen geprägt hat. Er hat auch westliche Denker wie Abraham Maslow als Vertreter der humanistischen Psychologie beeinflusst. In der Tat bildet ein ganzheitliches Menschenbild auch das Fundament von Maslows humanistischer Psychologie. Seine Werke ‚Motivation und Persönlichkeit‘ (1970) und ‚The Farther Reaches of Human Nature‘ (1971) stützen sich u.a. auf das daoistische Konzept (Chao-Chuan & Yeh-Ting, 2008).

Chinesische Philosophen Leadership und Management in China Chinesische Philosophen

1.2. Konfuzianismus

Das dem Konfuzianismus zugrunde liegende Menschenbild besagt, dass der Mensch grundsätzlich ein gutes Wesen ist. Jeder Mensch wird jedoch nicht als Individuum, sondern als Teil einer Familie und einer Gemeinschaft betrachtet. Das Leben eines Menschen wurde von den Vorfahren vererbt und wird der nächsten Generation weitergegeben. Diese Grundannahme ist die Basis des ostasiatischen Familismus.

Die Lehre von Konfuzius hat das Führungsverständnis der Chinesen von Moralität und Harmonie geprägt. Sie bejaht zwar eine klare soziale Hierarchie, die Führungskräfte verdienen aber ihren Status hauptsächlich durch ihre moralischen Eigenschaften. Somit beeinflusst die Konfuzianische Lehre bis heute das Leadership und Management in China.

Das ethische System des Konfuzianismus basiert auf dem Werte-Dreieck ‚Ren-Yi-Li (Wohlwollen – Rechtschaffenheit – Höflichkeit). Dieses System fordert jeden auf, Vorgesetzten mit Respekt zu begegnen. Dies bilde die Basis einer prozeduralen Gerechtigkeit. Es schreibt vor, dass die Entscheidungsmacht dem Individuum zukommt, das die höhere Position innehat. Die Notwendigkeit einer stark ausgeprägten Hierarchie wird also betont, wobei dem Vorgesetzten Gehorsam entgegengebracht wird. Die Hierarchie ist hier in weitestem Sinne zu verstehen, wobei sie nicht nur durch Position, sondern auch durch Alter und Geschlecht definiert wird.

1.2.1 Ein System ohne Gleichberechtigung

Vom Entscheidungsträger wird wiederum erwartet, dass er Ressourcen basierend auf dem ‚Rendao‘-Prinzip vorzuweisen hat. Laut dieses Prinzips soll er Vertraute bevorzugt behandeln. Dieses Prinzip, das als ‚Weg der Humanität‘ übersetzt werden kann, beinhaltet folgende Regeln:

  • Familienmitglieder werden bevorzugt nach der ‚Bedarfsregel‘ (d.h., abhängig von der Dringlichkeit des Bedürfnisses) behandelt,
  • Bekannte innerhalb des ‚Guanxi‘ (Beziehungsnetzwerk) sind nach der ‚Renqing[1]- -Regel zu behandeln.

Der Konfuzianismus setzt auch unterschiedliche Massstäbe für das ‚gemeine Volk‘ und für Gelehrte. Für gewöhnliche Leute genügt es, wenn sie nach dem ‚Ren-Yi-Li‘ ein ethisches System leben. Ihr soziales System orientiert sich an der Familie (Familismus), ihr Verhalten soll von Höflichkeit (Li) gesteuert sein und der Entscheidungsträger ist das Familienoberhaupt.

Lhasa Leadership und Management in China

Lhasa, Hauptstadt Tibets

Aufgrund dieser Prinzipien können die unterschiedlichen Auffassungen von Ethik im Westen und in Ostasien beobachtet werden. Während im Westen die Begünstigung von Freunden und Familie gegenüber anderen Leuten als Korruption gilt, gehört sie in China zum guten Verhalten. Allerdings stösst dieses Prinzip der Lehre Konfuzius, das auch heute in Leadership und Management in China gilt, gegen die westlichen Prinzipien.

1.2.2. Beispiel Werte-Konflikt: Solidarität versus Korruption

Alexander Thomas, der Psychologe und Autor der ‚Kulturstandards‘, erzählt von einem Praxisfall, der die oben erwähnten, divergierenden Werte zwischen Chinesen und Deutschen deutlich macht. Der deutsche Vertreter eines deutschen Unternehmens in China und seine Frau sind mit einem chinesischen Ehepaar befreundet. Die Chinesin, die dem Deutschen einmal als Dolmetscherin eine kleine Hilfe geleistet hatte, bittet eines Tages den Vertreter, ihrem Sohn eine Arbeitsstelle im deutschen Unternehmen zu vermitteln. Als der Deutsche dies nicht tut, weil die Erfüllung der Bitte seiner Auffassung nach an Korruption grenzen würde, brechen die Chinesen ihre Beziehung zum deutschen Ehepaar ab (Thomas, 2008). Das kann basierend auf der oben erwähnten Philosophie wie folgt erklärt werden: Während die Deutschen sich aufgrund der Erwartung der Chinesin ausgenutzt fühlen, interpretiert das chinesische Paar die ablehnende Haltung des deutschen Vertreters als einen Verstoss gegen die chinesischen Freundschaftsregeln (‚Renqing‘). Dies gilt umso mehr, weil die Deutschen gegenüber den Chinesen als reich und mächtig gelten, und das ‚Renqing‘-Prinzip möglichst weitgehende gegenseitige Gefälligkeiten innerhalb des Beziehungsnetzwerkes (‚Guanxi‘) empfiehlt.

1.2.3 Lebenslang Lernen als Pflicht

Ein anderes Prinzip des Konfuzianismus ist der Wille, lebenslang zu lernen. Dieser Wille wird aber vor allem von Gelehrten erwartet und weniger vom gewöhnlichen Volk. Gelehrte sollen die Prinzipien des Rendao anwenden, d. h. ihr Wissen einem möglichst breiten Kreis innerhalb der Gesellschaft weitergeben. Somit orientieren sie sich nach dem Wert des Kollektivismus (Chao-Chuan Chen & Yeh-Ting Lee, 2008).

[1] Der Renking definiert affektive Beziehungen in der Familie oder im Guanxi

1.3 Legalismus

Der Legalismus basiert eher auf Gesetzen als auf moralischen Werten. Ihm unterliegt die Grundannahme, dass Menschenverhalten primär durch eine unbarmherzige Verfolgung des Eigennutzes gesteuert ist, nicht durch moralische Werte. Interessanterweise erinnert dieses Konzept an die Lehre von Max Weber, den Vater der modernen deutschen Soziologie (Chao-Chuan & Yeh-Ting). So wie der Daoismus mit Maslows humanistischen Psychologie, kann die „bürokratische Verwaltung“ von Max Weber mit einer 2500 alte chinesischen Philosophie in Verbindung gesetzt werden. Obwohl die chinesische und die westliche Kulturen fundamentale Unterschiede aufweisen, kann somit feststellen, das bestimmte Konzepte in beiden Kulturen vorhanden sind.

1.3.1 Hanfeis Theorie

Die Leadership-Theorie von Hanfei, einem Philosophen und Begründer des Legalismus, der im 3. Jahrhundert vor Christus lebte, beruht auf drei Säulen:

  • Macht (Shih),
  • Gesetz (Fa) und
  • Kunst der Manipulation (Shu), die bei der Steuerung der Mitarbeiter zur Anwendung kommt.

Die Interaktionen von Führungskräften und Untergebenen sollte im chinesischen Legalismus folgendermassen ablaufen: 'Der Vorgesetzte drückt nie böswilligen Ärger aus und der Mitarbeiter hat keine versteckte Unzufriedenheit im Sinn', so dass 'Vorgesetzter und Untergebener miteinander reibungslos interagieren können'. Diese gewünschten Einstellungen bilden einen zentralen Aspekt des Legalismus (Chao-Chuan Chen & Yeh-Ting, 2008).

Hanfeis Konzept deckt nicht nur moderne Leadership-Aspekte ab wie das Prinzip, demzufolge Untergebene geeignete Lösungswege zur Zielerreichung vorschlagen müssen, sondern setzt ein Fundament für Projekt- und Konflikt-Management. Dieses Prinzip wird angewandt, wenn der Staat mit komplexen Problemen konfrontiert ist, die jenseits der täglichen Routine-Aufgaben auftauchten. Hanfei hat für diesen Fall den ‚Shu‘ vorgesehen. Dabei stehen vereinbarte oder angeordnete Ziele der Mitarbeitenden im Mittelpunkt.

1.3.2 Ähnlichkeit mit der transaktionalen Führung

Der Kommunikation wird in diesem Prozess ein besonderer Wert beigemessen. Als Utilitarist war Hanfei davon überzeugt, dass die erste Aufgabe eines Leaders sei, zu prüfen, mit welcher Effektivität Handlungen des Beauftragten zur Zielerreichung beitragen. Bei der Leistungsbeurteilung kontrolliert also der Vorgesetzte die Kongruenz der Worte und der Taten seines Untergebenen und hinterfragt kritisch die Effektivität seiner Handlungen (Chao-Chuan Chen & Yeh-Ting Lee, 2008).

Dieser Führungsstil erinnert an das Management by Objectives, bei dem Ziele für den Untergebenen vereinbart werden und ihr Erreichungsgrad von Vorgesetzten und Untergebenen besprochen wird. Die heute im Westen praktizierte transaktionale Führung gehörte also bereits vor Jahrtausenden zum Leadership und Management in China. Und wohl bemerkt, das MbO-Konzept ist in der transaktionalen Führung eingebettet.

Im Gegensatz zum Konfuzianismus verteilt ein legalistischer Führer Belohnungen und Strafen an Untergebene im Verhältnis zu ihren Beiträgen zu den Organisationszielen. Gemäss Chao-Chuan Chen und Yeh-Ting Lee beinhaltet dieser Führungsstil somit sowohl einen individualistischen (durch Belohnung und Bestrafung individueller Leistungen) als auch einen kollektivistischen Aspekt (da die höchste Priorität den organisatorischen bzw. den nationalen Zielen verliehen wird).

Das sowohl-als-auch-Prinzip ist auch in der Anwendung der jeweiligen Philosophien zu finden. So lebte die chinesische Gesellschaft während der Han-Dynastie nach dem Dual-Prinzip des Konfuzianismus im privaten und nach dem Legalismus im öffentlichen Bereich. Nach dem Ende dieser Dynastie verbreitete sich ein Mix aus beiden Philosophien (Kwang-Kuo Hwang, 2008).

1.4 Vergleich zwischen Konfuzianismus und Legalismus und ihre heutige Bedeutung

Die Prinzipien des Konfuzianismus und des Legalismus kommen heute im Management von Firmen und politischen Organisationen deutlich zum Ausdruck. Allerdings stellen sie manche chinesischen Leader vor Herausforderungen.

Konfuzianismus Konfuzianismus Legalismus
Ethik für das gemeine Volk Ethik für Gelehrte
Wert-Orientierung Familismus Kollectivismus Individualismus & Kollectivismus
Soziale Normen Anstand (Li) Wohlwollen (Ren) Gesetze (Fa)
Verteilungsregel Bedarfsregel Gleichberechtigung Gerechtigkeit
Kriterien der Verteilung Blut-Beziehung Mitgliedschaft Beiträge
Entscheidungsträger Familienoberhaupt Elite Herrscher

Tabelle:Vergleich Konfuzianismus versus Legalismus mittels fünf Dimensionen

Was Konfuzianismus und Legalismus gemeinsam haben, ist, dass beide Konzepte kollektivistisch sind und einen paternalistischen Führungsstil unterstützen, bei dem die Delegation von Macht nach unten auch heute in taiwanesischen Firmen sehr gering ist. (Chao-Chuan Chen & Yeh-Ting Lee, 2008). In der kommunistischen Kulturrevolution zwischen 1966 und 1976 galt der Slogan: Prangert den Konfuzianismus an und fördert den Legalismus. „Die Menschen sollen den Prinzipien des Marxismus folgen“ (Chao-Chuan & Jeh Ting, 2008). Der Einfluss des Marxismus auf die zwei Philosophien bleibt jedoch bescheiden.

1.5 Sunzis "Kunst des Krieges"

Wann der chinesischer General Sunzi gelebt hat, ist nicht eindeutig festzustellen. Es wird vermutet, dass er ein Zeitgenosse von Konfuzius war. Interessant ist, dass sein Werk ‚Die Kunst des Krieges‘ als erstes Traktat zur Strategie in der Geschichte gilt. Dieser Kriegsstrategie liegt eine Leadership- und Management-Theorie zugrunde, die heutige CEOs in der Führung ihrer Firmen inspiriert.

Sunzis Leadership und Management in China

Terra-Cotta-Armee, das 8. Weltwunder

1.5.1 Eine ganzheitliche Betrachtung

Das Konzept hat eine strategische und eine Leadership-Perspektive. Während die strategische Perspektive den Gegner als Ziel hat, behält die Leadership-Perspektive den Führer, seine Untergebenen und ihre Interaktion mit der Umwelt im Fokus. Sunzis Konzept von Leadership wendet die humanistischen Prinzipien des Konfuzianismus und des Daoismus an, also Wohlwollen, Autorität des Vorgesetzten, Paternalismus und ganzheitliches Denken. Ein Aspekt, der für die Analyse von modernen Leadership-Stilen inspirierend sein kann, ist derjenige des ‚Situationismus‘ (Chao-Chuan & Yeh-Ting, 2008). Gemäss diesem Konzept hängt die Moral und der Zusammenhalt der Untergebenen weniger von ihren intrinsischen Eigenschaften per se ab als von der jeweiligen Situation, in der sie sich befinden.

1.5.2 Ähnlichkeit mit der modernen Persönlichkeitspsychologie
Die Kunst des Krieges - Leadership und Management in China

Interessanterweise löste Walter Mischel, ein prominenter amerikanischer Forscher der Persönlichkeitspsychologie, 1968 eine intensive Debatte über die gleiche Theorie aus. In seinem Buch ‚Personality and Assessment‘ betont Mischel, dass das menschliche Verhalten weitgehend von den Anforderungen einer Situation abhängt. Die Ansicht, dass sich Individuen in unterschiedlichen Situationen aufgrund ihrer Persönlichkeit konsistent verhalten, sei ein Mythos. 'Although it is evident that persons are the source from which human responses are evoked, it is situational stimuli that evoke them, and it is changes in conditions that alter them '(Mischel, 1968, S. 295–296).

Diese Theorie ist für die vorliegende Studie insofern von Bedeutung,Shanghai Parc Leadership und Management in China https://intermedio.ch/wp-admin/post.php?post=3576&action=edit&lang=de#

als im MbO nicht nur die Ziele und die Mitarbeiter zu beobachten sind, sondern auch die Umwelt und ihre Entwicklung. In Leistungsbeurteilungs-Gesprächen wird von den betroffenen Mitarbeitenden häufig die Veränderung des Umfeldes als Ursache für das Nicht-Erreichen ihrer Ziele erwähnt. Deshalb ist es auch empfehlenswert, das Umfeld und seine Veränderungen regelmässig in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls die festgelegten Ziele anzupassen.

2.1 Ein Mix aus traditionellen und modernen Konzepten

Bei der Betrachtung des heutigen Konzept über Leadership und Management in China fällt die Mischung aus unterschiedlichen Strömen auf. Die Spuren der 2500 Jahre alten Philosophien machen sich noch heute in der Gesellschaft nachhaltig bemerkbar. Obwohl der Einfluss des Westens seit nun bald 40 Jahren durch zahlreiche Firmen und Joint Ventures anhält und viele chinesische Manager MBA-Lehrgänge in den USA und anderen westlichen Ländern absolviert haben, bleibt China vorwiegend eine ‚Wir-Gesellschaft‘ mit einem paternalistischen Führungsstil (Cooke, 2012, S. 41).

2.2 Leadership und Management in China mit US-amerikanischen  MBA-Programmen

Grundsätzlich wird zwischen staatlichen und privaten Organisationen unterschieden. Im privaten Bereich ist der Einfluss der westlichen und japanischen Management-Modelle stärker als im staatlichen. Die staatlichen Organisationen bleiben im Kontext eines stärkeren Kollektivismus auf Altruismus fokussiert, während die privaten sich mehr um Effizienz sorgen. Im staatlichen Sektor wird eine besondere Form der Leistungsbeurteilung angewandt. Der Prozess beginnt mit einer eigenen Beurteilung des Mitarbeitenden selbst, anschliessend folgt eine Beurteilung durch seine Teamkollegen im Zuge einer gemeinsamen Sitzung. Daraufhin wird das Leistungsbeurteilungs-Formular vom Abteilungsleiter unterschrieben und der Personalabteilung überreicht (Cooke, 2012).

Chinesische Arbeiterin Leadership und Management in China

Westliche Management-Theorien wurden in China hauptsächlich durch MBA-Lehrgänge eingeführt. Business-Schulen im Lande haben meistens Lehrmaterial aus Nordamerika auf Englisch oder in übersetzter Form benützt. In MBA-Lehrgängen bevorzugen viele Manager Professoren, die sowohl westliche als auch chinesische Managementtheorien beherrschen (Chao-Chuan & Yeh-Ting, 2008).

Der Mix aus den traditionellen chinesischen Werten und den westlichen wird insbesondere bei den Resultaten einer Befragung von 35 CEOs von Firmen mit einer Anzahl von 110 bis 5000 Mitarbeitern deutlich. Neun davon führten staatliche Unternehmen, während die restlichen 26 Geschäftsführer für private Unternehmen tätig waren. In 60 und 150 Minuten dauernden Interviews wurden sie gebeten, ihre Management-Philosophie zu beschreiben. Danach mussten sie die Quellen ihrer Philosophie sowie die abgeleiteten Werte und Begriffe reflektieren. Die konsolidierten Resultate dieses Reflektierens sind in der Abbildung unten ersichtlich. Es wird deutlich, dass die Werte Aufrichtigkeit, goldene Mitte, soziale Verantwortung, Harmonie und Wohlwollen, die von den traditionellen Philosophien propagiert wurden, omnipräsent sind.

Quellen von Leadership und Management in China intermedio.ch

Ein zusammenfassendes Modell der Managementphilosophien chinesischer Wirtschaftsführer

2.3 Management by Objectives in China

Die Dimension der chinesischen Kultur, die laut Hofstede nicht mit dem MbO-Konzept zusammenpasst, ist die Machtdistanz. Ein hoher Machtlückenindex bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern nicht auf gleicher Ebene stattfindet, sondern von Bevormundung bzw. Gehorsam geprägt ist. Es ist wahrscheinlich, dass Mitarbeiter generell Anweisungen von ihren Vorgesetzten erwarten und seltener ihre eigene, durchdachte Meinung vertreten. Wenn sie es mit einem Vorgesetzten zu tun haben, der ausschließlich mit einem partizipativen Führungsstil agiert, ist es fast zwangsläufig, dass sich die Kommunikation für beide frustrierend wird.

Ein hoher Machtdistanz bedeutet in diesem Kontext, dass die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden nicht auf Augenhöhe stattfindet, sondern von Paternalismus und Gehorsamkeit geprägt ist. Es ist wahrscheinlich, dass die Mitarbeitenden grundsätzlich Anweisungen von ihren Vorgesetzten erwarten und weniger dazu veranlagt sind, eine eigene, durchdachte Meinung zu vertreten. Haben sie mit einem Vorgesetzten zu tun, der ausschliesslich mit einem partizipativen Führungsstil agiert, ist es unvermeidlich, dass die Kommunikation oft für beide frustrierend wird und in eine Sackgasse führt.

Picture 3: Cultural dimensions of China

Die Kombination von hohem Machtdistanz- und tiefem Individualismusindex macht die Führung durch Vorgesetzte aus westlichen Ländern komplex, umso mehr als der Seniorität und dem Alter der Akteure in der chinesischen Gesellschaft besonderer Wert beigemessen wird. Ein weiterer Punkt erschwert die Kommunikation deutlich: Direkte Kritik gegenüber chinesischen Mitarbeitern auszuüben ist überaus problematisch. Das Prinzip von Harmonie und Vermeiden von Gesichtsverlust würde damit verletzt. Chinesische Führungskräfte haben deshalb die Tendenz, keine Vorwürfe auszusprechen, sondern aufgrund ihrer kollektivistischen Grundeinstellung alle Mitarbeiter gleich zu behandeln (Cooke, 2012).

2.3 Schlussfolgerungen für die Anwendung von MbO

Leadership und Management in China wird von Werten getragen, die aus einer Mischung von den alten Philosophien und modernen MBA-Programmen entstanden sind. Das fällt den Chinesen nicht schwer, die schon immer das sowohl-als-auch-Prinzip anwenden. In Bezug auf das MbO kann man zusammenfassend folgendes sagen: Angesichts des überaus hohen Machtdistanzindex würden Erwartungen von Führungskräften aus westlichen Ländern an eine autonome Arbeitsweise von chinesischen Mitarbeitern in vielen Fällen enttäuscht werden. In dieser Hinsicht wäre es unfair, chinesische Arbeitskräfte aufgrund von westlichen Kulturstandards zu beurteilen. Mit dem Vorbehalt, dass aus den Kulturdimensionen abgeleitete Schlussfolgerungen nicht immer auf die individuelle Ebene übertragbar sind, sollten Zielvereinbarungen Leadership und Management in China - lachende Mitarbeitende stärker auf den Teamgeist des jeweiligen Mitarbeiters als auf individuelle Leistungen ausgerichtet sein. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob kollektive Ziele auf Team-Ebene angebrachter sind als individuelle. Eine Mischung aus kollektiven und individuellen Zielvereinbarungen wäre ebenfalls sinnvoll.

Leadership und Management in China sollten sich auf die heutige chinesische Kultur stützen. Dieses Prinzip gilt für jedes Land. Mitarbeitende reagieren entsprechend ihrer Persönlichkeit (was sie als Person einmalig macht) und entsprechend der Kultur, in der sie aufgewachsen sind. Bezüglich der Leistungsbeurteilung sollten Führungskräfte z.B. Vorwürfe möglichst vermeiden. Die Kommunikation mit Mitarbeitenden, die wiederholt Gesichtsverlust erleben, wird wahrscheinlich extrem kompliziert. Besondere Aufmerksamkeit sollte der ausgeglichenen Verteilung von Belohnungen geschenkt werden. Auch hier könnten je nach Kontext kollektive Belohnungen angebrachter sein als individuelle. Da Menschen innerhalb eines Kulturgebiets viele Verhaltensmuster teilen aber trotzdem individuelle Verhaltensmuster anwenden sollten Führungskräfte ihre Mitarbeitenden individuell gut einschätzen können.

3. Leadership in Taiwan, Singapur und Hongkong

3.1 Vergleich auf Basis der Kulturdimensionen

Die Kulturdimensionen-Indexe von Taiwan, Singapur und Hongkong zeigen in Bezug auf Individualismus ähnliche Werte wie diejenigen von Festland-China. Die chinesische Gemeinschaft bleibt also überall kollektivistisch, wobei Hongkong etwas mehr Individualismus aufweist. Trotzdem ist im Hinblick auf die Vergangenheit der ehemaligen britischen Kolonie ihre Stellung als weltweit bedeutender Finanzplatz und die Präsenz vieler Staatsangehöriger aus den USA, Europa und Australien ein Individualismusindex von 25 unerwartet tief

Picture 4: Cultural dimensions of China, Singapore, Taiwan and Hong Kong (Hofstede Center)

3.2 Special features of Singapore

Der Machtdistanzindex von Singapur liegt nahe am Wert von Festland-China. Der konfuzianische Hintergrund mit einer starken sozialen Hierarchie wie in China, basierend auf der Stellung in der Gesellschaft, Seniorität, Alter und Geschlecht erklären den hohen PDI (Power Distance Index). Bemerkenswert ist der tiefe Wert von Unsicherheitsvermeidung. Das kann mit der hohen Diversität der Bevölkerung zusammenhängen sowie mit der sozialen Stabilität, der äusserst starken Wirtschaft, dem hohen Lebensstandard und dem starken Vertrauen in die eigene Regierung. Dieses Merkmal bedeutet, dass Menschen aus Singapur eine hohe Ambiguitäts-Toleranz aufweisen. Das macht die Kommunikation innerhalb einer Organisation und insbesondere in einem MbO-Prozess einfacher. Grundsätzlich sollten jedoch die gleichen Basisregeln wie für China eingehalten werden.

Autor: Noureddine Yous, intermedio