Über Jahrtausende hinweg haben genetische Prozesse das Aussehen und  das Denkvermögen sowie das Zusammenleben von Menschengruppen immer wieder neu bestimmt. Unser Genom[1] ist für einen grossen Teil dieses permanenten Veränderungs- bzw. Anpassungsprozesses verantwortlich. Das menschliche Genom wurde von 23 Jahren entziffert und liefert allmählich Antworten auf Fragen wie: Warum ist die Hautfarbe von Europäern weiss, und diejenige von Afrikanern schwarz? Oder,  stimmt es, dass auch die Europäer ursprünglich dunkelhäutig waren? Solche Fragen waren bisher Gegenstand von diversen Spekulationen oder rassistisch-geprägte Unwahrheiten gewesen. Die gute Nachricht ist, dass die Genetiker seit wenigen Jahren fundierte Antworten darauf gefunden haben. Dabei geht es um unsere Anpassungsfähigkeit.

Auf die Sonne kommt es an

Es geht um die Anpassungsfähigkeit der Menschheit. Zuerst sollten wir zwei Phänomene kennen, die die Hautfarbe bestimmen. Tatsächlich hängt die Hautfarbe im Wesentlichen von der Menge an Melanin ab, einem Pigment, das in den Zellen der Haut vorhanden ist. Eine dunkle, melaninreiche Hautfarbe eignet sich eher für sehr sonnige Regionen, während ein heller Teint besser für nördliche Umgebungen passt, wo das Licht weniger grell ist. Warum? Weil Melanin vor ultravioletter Strahlung schützt. Die UVA[2] würden sonst wichtige Nährstoffe (Folate[3]) zerstören, die für die Zellteilung wichtig sind und eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Embryos und seinem Nervensystem spielen. Daher ist es besser, dunkle Haut zu haben, wenn die Sonne scheint, da Melanin den Großteil der UVA-Strahlen (die Hauptart der UV-Strahlung) blockiert. Die enorme Anpassungsfähigkeit unseres Körpers ist ein entscheidender Merkmal für unser Überleben.Sonnenuntergang in Costa Rica

Der Vorteil eines hellen Teints in den nördlichen Regionen der Erde ist ein anderer: Die weisse Hautfarbe sorgt dafür, dass der Mensch die für seinen Stoffwechsel erforderlichen Vitamin-D-Quote erhält. Ansonsten kann er an Rachitis[4] erkranken. Dafür dringen UVB-Strahlen tiefer in die Haut ein und katalysieren dann die Produktion von Vitamin D. Somit erklären diese beiden Grundbedürfnisse unseres Körpers (Schutz vor UVA-Strahlung und Produktion von Vitamin D), warum der aktuelle Farbverlauf der Haut der Sonnenscheinkarte folgt.

Auf 1.2 Million Jahren zurückschauen

Seit ihrem afrikanischen Ursprung hat die Evolutionsgeschichte unserer Art größtenteils in unterschiedlichen Umgebungen stattgefunden, in tropischem und/oder subtropischem Klima, jedenfalls in Gebieten mit viel Sonnenlicht. So waren die ersten Sapiens, die in Afrika auftauchten, dunkelhäutig. Anpassungen an diesen Sonnenschein können im Genom der Afrikaner bis etwa vor 1,2 Millionen Jahre zurückverfolgt werden, als schätzungsweise die Haare, die uns vor der Sonne schützten, verschwanden.Urmenschen in Europa - Aus Afrika dunkel- und in Europa hellhäutig

Dann, während der Kolonisierung Europas, trafen die ersten Sapiens auf weniger sonnige Umgebungen. Anschließend ereigneten sich genetische Mutationen, die eine hellere Haut gefördert haben. Obwohl schätzungsweise 150 Gene an der Melaninproduktion beteiligt sind, wurden inzwischen mehrere Gene identifiziert, die einige der Unterschiede in der Hautfarbe erklären. Dank der durchgeführten Studien konnte eindeutig festgestellt werden, dass die allerersten Westeuropäer eine dunkle Hautfarbe hatten. Allerdings war das zu erwarten, da wir aus Afrika stammen. Doch was passiert danach?

Vor diesen DNA-Studien ging man davon aus, dass die Selektion auf eine hellere Hautfarbe mit der Ankunft dieser Menschen in Europa begann. Dann zeigten Forscher des Natural History Museum in London, dass die dunkle Hautfarbe bis in die späte Vorgeschichte bestehen blieb. Tatsächlich lebte der Cheddar-Mann vor 9.100 Jahren (die Besiedlung Englands erfolgte im Vergleich zum Rest des Kontinents sehr spät). Daher hatten einige Europäer zu dieser Zeit noch eine ausgeprägte dunkle Hautfarbe. Und diese dunkle Farbe gibt es bis vor 5.700 Jahren, wie gerade durch einen „Kaugummi“ aus Birkenharz nachgewiesen wurde, der die DNA einer Frau aus Dänemark enthielt.

Das Geheimnis der Augenfarbe

Die Mutation der Hautfarbe der Europäer hat sich nicht über Nacht vollzogen. Hätten wir unter Europäer vor 9000 Jahren gelebt, wäre uns keine Mutation der Hautfarbe aufgefallen. Ein solcher Prozess vollzieht sich über Jahrtausende und zahlreiche Generationen. Dennoch, waren nicht alle Menschen innerhalb einer Generation genau gleich schwarz. Genauso wie heute in Afrika wies die Hautfarbe der Bevölkerung unterschiedliche Farbnuancen des dunklen Teints auf. Der Anteil der Bevölkerung, der einen weissen Teint erlang, wurde jedoch allmählich immer grösser. Warum? Weil sich alle Arten, ob Menschen, Tiere oder Pflanzen, durch natürliche Selektion an ihrem Lebensraum anpassen. Hellere Haut muss ein Selektionskriterium für die Fortpflanzung gewesen sein. Das ist ein zentrales Prinzip der Evolutionstheorie (siehe nächsten Paragraph) .

Dunkelhäutiger Mann mit blauen Augen Die Forscher hörten nicht bei der Hautfarbe auf. Sie konnten die Augenfarbe teilweise bestimmen, indem sie genetische Varianten eines Gens namens HERC2 untersuchten, von dem eine Variation blaue Augen bestimmt. Mit einem klaren Fazit: Die Farbe Blau war bei den ersten Europäern die Norm. Hmm! Schwarze Haut und blaue Augen, solche Menschen würden heute wahrscheinlich als sehr attraktiv gelten.

Das ist gut und recht, aber wenn diese Theorie über die Hautfarbe stimmt, dann sollten die im Norden von Kanada lebenden Inuiten hellhäutig sein. Ihre Haut ist aber dunkel. In Wirklichkeit spielen andere Faktoren wie die Ernährung eine wichtige Rolle, nicht nur die Sonne. Dies könnte durch eine sehr Vitamin-D-reiche Ernährung aus Meeresfrüchten, einschließlich Meeressäugern, erklärt werden. Dies würde den auf die Epidermis ausgeübten Selektionsdruck verringern, so die Wissenschaftler.

Evolutionstheorie: Variation, Selektion, Erblichkeit

Um den Prozess der natürlichen Selektion zu verstehen, können wir anschauen, wie die künstliche Selektion, d.h. bei der Zucht abläuft. Wenn ein Züchter ein Maximum an Schafswolle produzieren will, sollte seine Schafsherde aus einzelnen Schafen bestehen, die in Bezug auf ihre Wollmenge variieren (Voraussetzung der Variation).  Auf dieser Basis kann der Züchter diejenigen Schafe für die Fortpflanzung auswählen, die am Meisten Wolle abgeben (Voraussetzung der Selektion). Dann wird die nächste Generation tatsächlich mehr Wolle liefern (Voraussetzung der Erblichkeit). Von dieser Generation selektiert der Züchter wiederum die am Meisten produktiven Schafe usw. Mit jeder Generation verschiebt sich der Anteil der Schafe, die viel Wolle liefern, bis diese die ganze Herde aus solchen Schafen besteht.

Löwen jagen Gazellen und sorgen für Selektion Bei der natürlichen Selektion verläuft der Prozess Variation-Selektion-Erblichkeit genau gleich, mit dem Unterschied, dass ein natürlicher Selektionsdruck den Zucht-Plan ersetzt. Nimmt man eine Herde Gazellen als Beispiel, spielen die Löwen sozusagen die Rolle des Züchters, wobei die langsamsten Gazellen immer wieder den Löwen zum Opfer fallen und die Schnellsten ihnen schneller aus dem Weg rennen und sich dabei kontinuierlich verstärken. Ihre Gene sorgen dann dafür, dass die nächste Gazellen- aber auch die Löwen-Generation leistungsfähiger ist. Anpassungsfähigkeit und Resilienz werden entwickelt. So wie Charles Darwin propagierte, „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, und auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die mit der grössten Anpassungsfähigkeit auf Veränderungen reagiert“. Anpassungsfähigkeit, Agilität und Resilienz sind auch in unserer heutigen Umwelt ein zentraler Begriff. Wir bieten viele gute Lösungen um die nötigen Kompetenzen zu entwickeln.

[1] Das Genom, auch Erbgut genannt, umfasst alle in einer Zelle vorhandenen Erbinformationen

[2] Hauptart der UV-Strahlung

[3] Vitamin, das unentbehrlich für die Zellteilung und damit auch für die Neubildung von Zellen ist, denn es wirkt
mit an der Weitergabe der genetischen Erbinformationen

[4] Knochenerkrankung bei Kindern und Jugendlichen

Autor: Noureddine Yous, intermedio – 10.11.2023

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