Die Zukunft von Homeoffice nach der Pandemie

Viele Menschen arbeiten heutzutage mehr oder weniger zwangsläufig von zu Hause aus. In den Monaten April bis Mai 2020 waren es noch mehr. Während sich alle die baldige Rückkehr der Freiheit und des sorglosen Alltags wünschen, hat das Homeoffice bedeutende Vorteile enthüllt. Der CO2-Austoss wurde während der Monate April und Mai um satte 17% gesenkt. Nicht einmal die Klima-Aktivisten hätten von einem solchen Effekt geträumt. Wir Konsumenten haben dank dem Verzicht auf unsere gewohnten Freizeitaktivitäten sowie auf einen teuren Auslandsurlaub einiges gespart. Man sagt, Frauen würden weniger Kosmetik verbrauchen und viele machen sich neuerdings zu Hause ein ausgiebiges Frühstück zur Gewohnheit. Sogar die Haustiere profitieren von der (Omni-)Präsenz ihrer Besitzer. Angesichts seiner Vorteile könnte man denken, dass sich die Arbeitswelt nach der Pandemie auf eine generelle Verbreitung des Homeoffice hinbewegen würde. Ist dem so?

Wie Führungskräfte das Homeoffice anschauen

Eine zentrale Frage, die Führungskräfte beschäftigt, ist diejenige der Produktivität. Tendenziell glauben viele von ihnen, dass Mitarbeitende im Homeoffice weniger produktiv sind.  Das Misstrauen gegenüber Homeoffice-Arbeitenden wird sogar von Mitarbeitenden in den Firmenräumlichkeiten geteilt. Doch, ein amerikanisches Forschungsprojekt hat 2015 zur Erkenntnis gebracht, dass Homeoffice die Produktivität der Betroffenen durchschnittlich um 13% erhöht[1]. ‘Bei einer im Juni 2020 durchgeführten Umfrage unter Schweizer Arbeitnehmenden stimmten 47 Prozent der Befragten der Aussage zu, im Homeoffice tendenziell zu viel zu arbeiten. Für 28 Prozent der befragten Arbeitnehmenden erschwerte sich durch die Arbeit im Homeoffice die Kommunikation’[2]. Der Verdacht von Führungskräften, ihre Mitarbeitenden würden zu Hause generell die Hände in den Schoss legen, ist also bei weitem nicht fundiert. Homeoffice gehört nicht nur seit heute zum Employer Branding. Amerikanische Firmen wie z.B. GitLab hat auf Büros schlichtweg verzichtet und lässt seine Sales-, Engineering-, Marketing- und HR-Teams aus 60 verschiedenen Ländern remote arbeiten. Länder wie Estland und Barbados haben sogar eine neue Visa-Art für solche Mitarbeiter eingeführt[3]. Tata Consulting Services (TCS) wendet das SBWs-Konzept an, was für Secure Borderless Worksplaces steht. Wichtig sei es, in allen Projekten die Kandidaten mit den richtigen Skills zu engagieren, unabhängig von ihrem Wohnort. Dementsprechend spricht der TCS-CEO von ‘Talents on the cloud’[4].

Einige Vorteile von Homeoffice bzw. WFA

Die Ortsunabhängigkeit von Arbeitskräften bringt Arbeitgebern bedeutende Vorteile. Sie können sich aus einem im wahrsten Sinn des Wortes grenzenlosen Reservoir ihre Talente aussuchen. Stellensuchende könnten zwar unter diesem verstärkten Wettbewerb leiden, profitieren aber auch ihrerseits von der Arbeitsort-Flexibilität. Den Wohnort entsprechend dem eigenen Budget auswählen, oder bloss der Sonne folgen, ist verlockend. Man kann durchaus an der italienischen Riviera wohnen und für eine in Schweden angesiedelte Organisation arbeiten. Oder den Wohnort je nach Lust und Laune immer wieder wechseln. Man spricht eigentlich nicht nur von Homeoffice sondern von WFA, d.h. Work From Anywhere. Die Ära der sogenannten ‘digital nomads’ ist eingeläutet und fasziniert insbesondere die Millenials.

Homeoffice hat auch seine Schattenseite

Allerdings bringt Homeoffice nicht nur Vorteile. Die Remote-Arbeit bringt sogar eine neue Komplexität mit sich, in erster Linie bei der Kommunikation. In jedem Team ist eine konstruktive Interaktion für den Erfolg matchentscheidend. Die Mängel der Kommunikation in verteilten Teams haben zahlreiche Auswirkungen. So können z.B. Teammitglieder nicht bloss aufstehen, dem Kollegen auf die Schulter klopfen und eine Frage stellen. Somit wird u.a. der tägliche Wissensaustausch gehemmt. Kommunikation unterstützt nicht nur die täglichen, fachlichen Auseinandersetzungen, sondern ist essentiell für den sozialen Austausch. Von vielen Stellen wird bemängelt, dass die Distanz sich negativ auf die zwischenmenschlichen Beziehungen auswirkt. Das Zugehörigkeitsgefühl schwindet. Noch schlimmer ist aber die Auswirkung von Konflikten. Aufgrund der mangelnden Transparenz hat ein Mobbingfall irreparable Konsequenzen. Die Virtualität fördert kaum Freundschaften, sondern weckt eher Einsamkeitsgefühle. Dass manche Führungskräfte Vorbehalte gegenüber dem Homeoffice haben, ist deswegen verständlich. Es geht nicht um die Produktivität der Mitarbeitenden per se. Vielmehr fehlt insbesondere bei sensiblen Gesprächen die physische Nähe. Die periodische Leistungsbeurteilung ist Gegenstand solcher Gespräche. Sind die Mitarbeitenden permanent remote, und das ist der Fall in international verteilten Teams, stellt sich die Frage, ob eine objektive Beurteilung überhaupt möglich ist.

People Analytics als Lösung

An dieser Stelle können HR- und Linienverantwortliche zwar auf digitale Lösungen zurückgreifen: Sogenannte People Analytics. Das Konzept der People Analytics besteht darin, Personal-Daten, die aus verschiedenen Vermessungspraktiken entstehen, anhand von Big Data und künstliche-Intelligenz-Methoden wie Machine Learning zu analysieren. ‘Technologischer Fortschritt sowie die bereits erfolgte Skalierung von ‘traditionellen’ Überwachungstechnologien eröffnen Unternehmen vielversprechende Möglichkeiten’[5]. Dabei werden Daten erhoben, welche die Auswahl von Mitarbeitenden, die Gestaltung des Arbeitsplatzes, das Compliance Management, die Mitarbeiterbindung und -entwicklung sowie das Leistungsmanagement unterstützen. Das Verfahren basiert nämlich auf der Analyse von Emails und Telefonaten sowie des gesamten Emailverkehrs. Darüber hinaus werden Stimmungs- und Bildschirmanalysen durchgeführt und Daten, die elektronische Ausweise und Zugangskontrollsysteme generieren, ebenfalls ausgenützt. Allerdings können diese Verfahren bei der Belegschaft das Bild des ‘Big Brother is watching you’ stark hervorrufen. Hier entsteht eine zentrale Frage, die HR-Verantwortliche und Manager unter der Berücksichtigung von ethischen Aspekten und dem Datenschutzgesetz beantworten sollen: Wie wirken sich People-Analytics-Verfahren auf das Vertrauen der Mitarbeitenden sowie auf die Unternehmenskultur aus?

 

Post-Pandemie Prognosen zu Homeoffice

Die eingangs gestellte Frage, ob Homeoffice nach der Pandemie von Arbeitgeber vermehrt zugelassen wird, kann nicht pauschal beantwortet werden. Sie muss viel mehr von jeder Organisation selbst in Anbetracht ihrer betrieblichen und kulturellen Gegebenheiten gelöst werden. Trotzdem vermitteln einige 2020 durchgeführte Umfragen einen Ausblick auf die Zukunft: 79% der befragten Arbeitsnehmenden können sich vorstellen, nach der Pandemie mindestens zum Teil im Homeoffice zu arbeiten. Neben den 27%, welche Homeoffice nur auf Anfrage zulassen werden, planen ihrerseits 40% der befragten Arbeitgeber, Homeoffice als fester Teil des Arbeitspensums einzuführen. Last but not least, beabsichtigen 12% der Befragten eine volle Flexibilität zwischen Homeoffice und Vor-Ort-Arbeit zuzulassen[6]. Somit ist in der Post-Pandemie-Zeit eine breitere Anwendung des Homeoffice als vor der Pandemie zu erwarten.

Fazit

Getrieben vom technologischen Fortschritt wird sich Homeoffice in Zukunft vermutlich öfter als alternativer oder komplementärer Arbeitsplatz etablieren. Individuen und Teams, die von dessen Vorteilen voll profitieren wollen, sollten ihre Arbeitsweise darauf einstellen. Eine ausgewogene Kombination von Homeoffice und Vor-Ort-Arbeitsplatz wirkt potentiellen Einsamkeitsgefühlen entgegen. Die Kommunikation ihrerseits soll nicht nur von der Technik optimal unterstützt werden, sondern vor allem mit erhöhter Achtsamkeit seitens aller Beteiligten im Alltag gelebt werden. Die Qualität der Führung, der Kommunikation und der Zusammenarbeit haben einen enormen Einfluss auf die Leistungen von Individuen und Teams. Deshalb ist es für Führungskräfte insbesondere in schwierigen Zeiten angebracht, die Entwicklung ihrer Teams aktiv und situativ anzugehen. In diesem Sinne ist Anpassungsfähigkeit bzw. Agilität gefragter denn je.


Quellenangaben

[1] P. Choudhury (2020). Our Work-from-Anywhere Future. In Harvard Business Review, S. 58-67.

[2] Quelle: Statista

[3] ditto

[4] ditt

[5] Weibel, A., Schafheitle, S. & Ebert, I. (2019). Goldgräberstimmung im Personalmanagement?. In Organisations-
entwicklung
Nr. 3, S. 23-29

[6] Quelle: Statista

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