Interkulturelle Kommunikation – mehr als „Dos and Don’ts“

In der Arbeitswelt ist interkulturelle Kompetenz zum Schlagwort, für manche auch zu einer Modeerscheinung geworden. Kompakt vermittelt und erlernt, wird sie oft als Zusatzqualifikation und Karrierevorteil verstanden. Dabei ist sie viel mehr als das. Interkulturelle Kompetenz geht weit über das Einhalten von Begrüßungsformeln, Tischmanieren und die Vermeidung von „Fettnäpfchen“ hinaus.

Ob im technischen Bereich, in Bildungseinrichtungen, im Finanzwesen oder einfach im Freundes- und Bekanntenkreis: In unserer globalisierten Welt gehören Begegnungen zwischen unterschiedlichen Kulturen zum Alltag. In der heutigen Arbeitswelt ist dementsprechend mehr denn je interkulturelle Kompetenz gefragt.

Wirft man einen Blick auf Stellenangebote, so ist interkulturelle Kompetenz immer wieder gefordert oder zumindest „erwünscht“. Nicht selten wird diese Kompetenz jedoch als Anhängsel der eigentlichen Qualifikation angesehen. Häufig wird sie im gleichen Atemzug mit Flexibilität, Teamfähigkeit oder sicherem Auftreten genannt, also dem zugeordnet, was man als „soziale Kompetenzen“ verstehen kann.

Im Berufsalltag geht es vielfach um effiziente Problemlösungen und das Funktionieren von internationalen Geschäftsbeziehungen. Damit ist wenig Zeit, um sich tiefer mit dem kulturellen Hintergrund des Gegenübers zu beschäftigen. Das ist nachvollziehbar. Es ist aber auch Anlass zur Frage, welchen Stellenwert wir in der heutigen Berufswelt der Qualifikation,interkulturell agieren und kommunizieren zu können, beimessen und welchen Platz wir Fachpersonen einräumen, die interkulturelle Kompetenz eben nicht als Anhängsel, sondern als ihre eigentliche Qualifikation betrachten.

Wichtig in der interkulturellen Kommunikation ist sicherlich das Wissen über bestimmte Verhaltensregeln, Tabus oder Speisevorschriften. Interkulturelle Kompetenz bedeutet darüber hinaus aber auch, mit dem Gegenüber einer anderen Kultur in einen genuinen Dialog zu treten. Dies setzt Erfahrung, Offenheit, auch Sensibilität voraus. Interkulturelle Beziehungen sind abhängig vom Verstehen der komplexen Zusammenhänge von Wertvorstellungen, Sprache, Denkweisen und Handeln. Was man selbst unter „Kultur“ versteht und wie man Fremdes und Bekanntes wahrnimmt, beeinflusst wesentlich die eigene interkulturelle Kommunikationsfähigkeit.

Wie wichtig solch eine Kommunikationsfähigkeit im beruflichen Leben ist, zeigt sich schon in alltäglichen Situationen, wenn es beispielsweise um Terminabsprachen geht, aber auch in der längerfristigen Etablierung von interkulturellen Beziehungen. Hier sind tiefere Kenntnisse darüber gefragt, wie ein „Ja“ des Gesprächspartners in dessen kulturspezifischem Kontext einzuschätzen ist, welche hierarchischen Strukturen herrschen und wie das Gegenüber mit Emotionalität oder auch Kritik umgeht. In entscheidungskritischen Momenten zählt oft das richtige Augenmass dafür, ob für den Geschäftspartner einer anderen Kultur die Verhandlungssache an sich oder eher der Aufbau von vertrauensvollen und persönlichen Beziehungen im Fokus steht. Gerade hier offenbaren sich die feinen Nuancen von interkultureller Kommunikation, die sich dem bloßen Einhalten von „Dos and Don’ts“ vollkommen entziehen.

Das Spannende an interkulturellen Beziehungen ist, dass sie nicht selten jenseits von Effizienz, bloßem Funktionieren und dem starren Einhalten von Regeln verlaufen. Sie betreffen menschliches Miteinander, bei dem es auf ein sorgfältiges Einarbeiten in interkulturelle Verstehensprozesse ankommt. Gerade deswegen sollte interkultureller Kompetenz in der gegenwärtigen Arbeitswelt genügend Raum und Eigenständigkeit gegeben werden.

Zur interkulturellen Kommunikation gehört zudem manchmal auch das Aushalten von Situationen, in denen keine schnellen Problemlösungen möglich sind und in denen Differenzen bestehen bleiben müssen. Gerade hier verbirgt sich ein hohes Potenzial, ganz neue Kommunikationswege zu entdecken. Auf diese Weise können Expertinnen und Experten für interkulturelle Kompetenz wesentlich zu Erfolg und Effizienz in vielen verschiedenen Berufsfeldern beitragen.

Zur Autorin:

Dr. Ulrike Chanana forscht an der Goethe-Universität Frankfurt am Main über interkulturelle und interreligiöse Verständigungsformen der Gegenwart. Ihr Fokus liegt dabei auf Neuansätzen innerhalb des modernen Judentums zur Möglichkeit und Gestalt von religiösem Pluralismus.

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